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Kolumne | Aus der Heimat

Als Pech noch Glück brachte

Von  Bertl Göttl | 11.04.2012 - 12:40

 

"Wer das Binderhandwerk veracht’, den holt der Teufel bei der Nacht! Mit Eichenholz und Rebensaft der Binder sich durchs Leben schafft."

 

So wie der historische Bindertanz, der nach mehr als hundertjähriger Pause 1924 bei der Versammlung der Binderinnung in Salzburg mit Münchener Hilfe wieder zum Leben erweckt wurde, so ist auch der traditionelle Beruf der Binder, Küfer oder Scheffler noch lang nicht ausgestorben. Ganz im Gegenteil. Nach dem Weinskandal füllten Eichenfässer wieder die Auftragsbücher der übrig gebliebenen Bindereien und gar manche Brauerei will auf hölzerne Bierfässer nicht ganz verzichten. So wird auch heute noch im Augustinerbräu Mülln ein Mal im Monat gepicht: Das heißt, die Holzfässer werden inwendig mit Pech versiegelt. Bei 180 Grad Celsius wird das alte Föhrenpech aus dem Fass ausgelassen und in einer mehr als 100 Jahre alten Picherei durch frisches Pech ersetzt. Dabei wird das Bierfass nicht nur gasdicht gemacht - es ist auch leichter zu reinigen. Außerdem macht das Pech die Innenseite glatt, sodass beim Zapfen weniger Reibung entsteht und das Bier weniger schäumt.


Binder und Bierbrauer waren schon immer eng verbunden und bis zur Industrialisierung sogar in einer gemeinsamen Zunft vertreten. Dies zeigt sich noch im überlieferten Bindertanz, der noch im Augustinerbräu geprobt wird. Das ist ein Männertanz aus dem 16. Jahrhundert, bei dem die Binder mit immergrünen Tanzreifen verbunden sind. Zwölf komplizierte Figuren - wie Reifenschwung, Doppelschlange, Kreuz und Krone - zeichnen ihn aus und weisen in die Pestzeit, in der die Binder mit rauchenden Pechkübeln durch die Stadt zogen. "Mit Pechen und Brennen der Seuche nachrennen", lautete ihr Leitspruch.


Alljährlich zur Dulteröffnung, am Rupertikirtag und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele wird dieser Zunfttanz aufgeführt. Dabei werden symbolisch die Reifen auf ein Fass getrieben, eine Tätigkeit, die für die Gesellen und Meister in der Fassbinderei Schneckenleitner in Waidhofen an der Ybbs auch heute noch das tägliche Brot bedeutet. In der mittelalterlichen Stadt, zwischen gotischen Giebelhäusern und mächtigen Türmen, haben sich sogar zwei Fassbindereien erhalten, sodass der Binderschlag noch heute durch die Gassen klingt. Arbeiten drei Binder an einem Fass, so ergibt die Schlagfolge beim Antreiben der Reifen einen Dreivierteltakt, wie er uns auch im alten Binderlied mit dem Innergebirg Viergesang überliefert ist. "Von mein Handwerk da bin i a Binder, drum tuat mi des Bindern so gfrein, mein Handwerk geht Sommer und Winter und tragt ma’ a allweil was ein!"


Im 100. "Hoagascht" auf ServusTV (Fr., 19.45, Sa., 15.05 Uhr) besucht Bertl Göttl die Bindertänzer, die Picherei im Augustinerbräu Mülln und die Binderfamilie Schneckenleitner in Waidhofen an der Ybbs.

 

 

 

aus:

Salzburger Nachrichten im Internet, abgefragt am 20.03.2013

http://www.salzburg.com/nachrichten/kolumne/aus-der-heimat/sn/artikel/als-pech-noch-glueck-brachte-10481/

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